Der folgende Brief von Francisco de Enzinas (auch bekannt als Dryander) an den in Neuburg ermordeten Juan Diaz wurde am 21. Dezember 1545 in Wittenberg geschrieben. Enzinas, ein Anhänger der Reformation, mit Diaz eng und langjährig befreundet, war zuvor wegen seiner spanischen Übersetzung des Neuen Testaments in Brüssel inhaftiert worden und nach seiner Freilassung nach Wittenberg gekommen, wo er den Brief an Diaz verfasste. Diaz, der aus Cuenca in Spanien stammte und in Paris Theologie, Griechisch und Hebräisch studiert hatte, war ebenfalls ein Anhänger der Reformation und war von Paris nach Genf und dann nach Straßburg gekommen, wo er sich niederließ. Zusammen mit Butzer (auch Bucer) und Claude de Senarclens reiste Diaz nach Regensburg um an dem dort von Kaiser Karl V. anberaumten Religionsgespräch teilzunehmen, das von Kaiser Karl V. und Vertretern der Reformation einberufen worden war. Diaz wurde jedoch in Neuburg ermordet, wohl bevor ihn der Brief seines Freundes erreichte, der Brief, der das Thema dieser Abhandlung ist. Ein Brief ohne besonderen Wert für die Geschichtsschreibung, auch wenn er Einblicke in die politischen und religiösen Ereignisse der Zeit gibt, doch besondere Erkenntnisse eröffnet er der Welt nicht. Was diesen Brief lesenswert macht ist die Tragik die ihn umgibt und die Echtheit und Tiefe der offenbaren Liebe und Freundschaft der so fest in ihrem Glauben verwurzelten Freunde.
Der Brief wurde 1892 in der Zeitschrift für Kirchengeschichte mit einem Vorwort und Erläuterungen von Heinrich von Nebelsieck, zu der Zeit Pfarrer in Netze (Waldeck) veröffentlicht. Nebelsieck hatte ihn in Kopie im Fürstlichen Regierungsarchiv in Arolsen gefunden, als Teil eines Manuskripts des Zeitgenossen von Enzinas, Graf Wolfrad II von Waldeck. Der war zu den Religionsgesprächen nach Regensburg gereist, wohl im Auftrag des Landgrafen Philipp von Hessen (Einer der treibenden Kräfte auf der weltlichen Seite der Reformation und damit Gegenspieler von Kaiser Karl V und dem Papst) Die Tagebücher des Grafen Waldeck als Teilnehmer wichtiger Treffen der Reformation mit Abordnungen des Papstes und Kaiser Karl V. vermitteln einen detailreichen Einblick in die Verhältnisse und Abläufe der Zeit.
Die Übersetzung des Briefes aus dem lateinischen erfolgte maschinell gestützt und versucht darüber hinaus den Inhalt der Lebenswelt und Ausdrucksweise des 21. Jahrhunderts anzupassen und damit dem modernen Leser zugänglicher zu machen. Wo sinnvoll und notwendig, habe ich Anmerkungen in Klammern direkt an die betreffenden Textzeilen gesetzt. Ausdrücklich verwahre ich mich gegen jeden Vorwurf der Wissenschaftlichkeit oder auch nur den Versuch einer einem Historiker gemäßen Herangehensweise. Diese Arbeit ist lediglich der Unterhaltung eines interessierten, aber ansonsten der beschriebenen Zeit eher fernen Publikums zugedacht.
Der Brief selbst ist in lateinischer Sprache verfasst. Obwohl Enzinas und Diaz sich als gebürtige Spanier auch in der Landessprache hätten verständigen können, verwendeten sie auch in der persönlichen Kommunikation Latein, der Lingua Franca der Zeit, die mit der Erfindung des Buchdrucks die erste „europäische“ Sprache wurde, wenigstens in den Kreisen der gebildeten Oberschicht und der Verwaltung. Sowohl de Enzinas als auch Diaz waren entsprechend ihrer Ausbildung Theologen und hatten darüber hinaus profunde Kenntnisse in Griechisch und Hebräisch, wobei Diaz sich in der Hebräischen Sprache einen ausgezeichneten Ruf als Wissenschaftler erworben hatte. Beide hatten sich während des Studiums in Paris kennengelernt, und waren aufgrund ihrer Abstammung wirtschaftlich unabhängig. So konnte sich Diaz in Paris einen persönlichen Assistenten leisten. De Enzinas war finanziell sogar noch deutlich bessergestellt, was ihm ermöglichte selbst Bücher herauszugeben oder wenigstens den Druck zu finanzieren. Nach der Abreise Diaz aus Paris begegneten sich die Freunde nur noch selten, hielten aber intensiven Briefkontakt und waren verbündet als Förderer und Befürworter der Reformation. Beide führten Korrespondenzen mit wichtigen Vertretern der Reformation oder pflegten sogar Freundschaften, etwa mit Melanchton, Calvin oder Bucer und sie vereinte darüber hinaus das Schicksal als Spanier der besonderen Schärfe und Konsequenz der Inquisition ausgesetzt zu sein. Spanien, Italien und Frankreich waren für beide gefährlich geworden und so suchten sie eine Heimat im eher der Reformation aufgeschlossenen Gegenden des „Heiligen Römischen Reiches“. Hierzu gehörten zur Zeit der Renaissance, jedenfalls vor dem Ausbruch des 30-jährigen Krieges, das heutige Deutschland, Belgien, besonders die Schweiz und Teile der Niederlande.
Der Brief, um den es in dieser Abhandlung geht, ist von keiner wissenschaftlichen Bedeutung, gibt aber Einblick in das „normale“ Leben der handelnden Personen. Nach einem Eintrag im Tagebuch des Grafen Wolrad übergab Diaz ihm am 15. Februar einige Briefe, unter anderem von de Enzinas - vielleicht auch diesen Brief. Diaz wurde in Neuburg ermordet. Er scheint seinen Tod geahnt zu haben, denn aufgrund eines späteren Briefwechsels von Enzinas ist bekannt, dass der seinen Assistenten aus Pariser Zeit zum Vollstrecker seines Testaments ernannt hatte. Dies muss Diaz in Neuburg verfasst haben, als er sich der Gefahr bewusst wurde, die die Anwesenheit seines Bruders und seine Weigerung zum „rechten Glauben“ zurückzukehren bedeutete. Der Tod von Juan Diaz hatte Folgen weit über seinen persönlichen Umkreis hinaus. Selbst wenn eine Verwicklung höchster Vertreter auf Seiten des Kaisers und des Papstes nicht nachweisbar sind, darf vermutet werden, dass insbesondere seitens des Führungskreises des Vatikans und im klerikalen Umfeld des ebenso streng katholischen Kaiser Karl V. eine gewisse Genugtuung über den Mord herrschte und die folgende Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Vertretern des Protestantismus und Kaiser und Papst für wichtige Persönlichkeiten der Gegner der Protestanten durchaus willkommen war. Der Mord allein mag weder Auslöser noch zur Verschärfung des Konflikts beigetragen haben, hinterließ jedoch einen deutlichen Eindruck bei denen, die eine militärische Auseinandersetzung eher scheuten. Hervorzuheben ist der Vertrauensverlust in die friedlichen Absichten des Kaisers auf der protestantischen Seite aufgrund der Verschleppung des Prozesses gegen die Mörder von Juan Diaz. Diese waren nach einer für sich allein schon erzählenswerten, beinahe abenteuerlich anmutenden Weise von Neuburg aus verfolgt und schließlich in Innsbruck gestellt wurden. Die Bedeutung des Mordes an Diaz lässt sich aber nicht nur aufgrund des Eingreifens des Kaisers und des Klerus, sondern auch am offenbaren Interesse von Anton Fugger und hochgestellter Persönlichkeiten, etwa dem Geschlecht der „de Taxis“ (wenig später Thurn und Taxis) an dem Fall ermessen. Darüber – und noch weit mehr, an anderer Stelle.
Grüße an meinen lieben spanischen Bruder J. Diaz!
Ehrwürden! (Enzinas verwendet die gegenüber hochgestellten Persönlichkeiten übliche lateinische Anrede "S.D." (Sua Dignitas) angesichts des sehr engen freundschaftlichen Verhältnisses zu Diaz eher scherzhaft)
Vermutlich hätte Dich diese Nachricht schneller erreicht, wenn einer von uns den anderen persönlich besucht hätte oder wenn wenigstens ich einen anderen Weg gefunden hätte, diesen Brief an Dich abzusenden.
Es tut mir nicht nur gut, vielmehr empfinde ich es als eine Notwendigkeit in dieser Zeit des Elends der Menschheit, mich mit Dir, den ich wie einen Bruder liebe und von dem ich mich geliebt fühle, in Sachen der Religion und des Stands um die Dinge der Kirche Christi austauschen zu können.
Ein wenig wundert es mich aber doch keine Nachricht von Dir erhalten zu haben, denn Briefe habe ich viele empfangen in der Zwischenzeit, doch es wird wohl seinen Grund haben und ich bin mir sicher, dass Du mir nicht untreu geworden bist. Und dennoch bin ich in größter Sorge um Dich und Deine Sicherheit und fürchte, Dir könnte etwas zustoßen. [Anmerkung: Enzinas war am 15. April 1545 aus dem Gefängnis in Brabant entkommen und nach Wittenberg geflohen. Somit hätte er wohl Zeit genug gehabt dem Freund zu schreiben - oder der ihm. Allerdings war Diaz ab August 1545 bei Butzer und dort wohl von dem sehr in Beschlag genommen. Zudem hatte sich Diaz eng mit Claude de Seneclarens befreundet. Dass Diaz nicht von der Befreiung Enzinas' und seiner Ankunft in Wittenberg wusste ist dagegen nicht anzunehmen. Sowohl Diaz als auch F. de Enzinas waren in häufigem Austausch mindestens mit Philip Melanchton - und der wiederum mit Luther und Butzer]
Darum bitte ich Dich mir, um Deiner Freundschaft willen, diese Sorge zu nehmen.
Noch sind wir beide am Leben, aber doch müssen wir uns um unsere eigene Sicherheit sorgen inmitten der Leiden, welche unsere Kirche betreffen. Die Wunden unserer christlichen Gemeinschaft, ausgelöst von dieser schrecklichen Geißel, die die Kirche Christi befallen hat, belasten mich schwer, Bruder und ich bitte Gott, den Vater unseren Erlösers Jesus Christus von ganzem Herzen und mit dauernden Gebeten um die Linderung dieser und der wohl noch kommenden Übel.
Dabei erscheint es mir, als sei ich im Geist schon ganz abgestumpft durch alles, was mir widerfahren ist. Ich sehe, dass die höchsten Monarchen der Welt so verwirrt sind, dass sie jede Lehre der reinen Religion tief verachten und mit vereintem Hass die Lehre von Gottes Sohn verfolgen, ja in ihrer gewaltigen Arroganz sogar versuchen Krieg gegen den Himmel selbst zu führen. Unser Kaiser ist umgeben und umzingelt von verbohrten Mönchen, die man nicht als Menschen, sondern als Satansfurien bezeichnen kann, die das christliche Gemeinwesen verwüsten und Seelen sowie jede gesunde Lehre aus der Unterwelt zurückrufen.
Die Mächtigen werden nicht nur nach der religiösen Willkür dieser Leute gelenkt, sondern sogar durch deren pure Machtinteressen!
Wo führt das nur hin? Ich kann nicht an diese Dinge denken, ohne eine gewaltige Furcht zu empfinden. Sie töten die besten Vertreter der christlichen Religion in ihrem Machtbereich und hinterlassen eine Gesellschaft die frei von guten Menschen und nur noch von Verbrechern erfüllt ist.
Von außen bedrohen uns die noch größeren Feinde des christlichen Glaubens, die, die einen Träumer und verrückten Teufel anbeten statt den wahren Verkünder des Wortes unseres Gottes.
Und mit denen wollen unsere Könige nun Frieden schließen, um sich ganz darauf konzentrieren zu können die wahren Christen zu verfolgen.
(Zusammenhang unklar) Auf der anderen Seite wird der gottlose Mann von Braunschweig gesandt, um jene Kirchen zu bevölkern, in denen [sprich: denen] die Stimme der himmlischen Lehre rein erklingt; was der böse Mann sicherlich getan hätte, wenn der ewige Vater den wütenden Angriff dieses Lykaons nicht auf göttliche Weise zurückgehalten hätte. Wieder wird der König von Polen gebeten, Gott den Krieg zu bringen.
Ich glaube fest daran, dass all dies auf Anraten unseres "Beichtvaters" (Abschätzig für den Beichtvater des Kaisers, de Soto, der ein entschiedener Gegner der Protestanten und Befürworter des Krieges gegen sie war) und anderer spanischer Mönche geschieht, genauso sicher wie ich lebe.
Was soll ich über den König von Frankreich sagen? Auch er wütet mit ähnlichem Wahnsinn gegen wahre Glieder Christi. Denn wann hat man von einem Beispiel dieser Art von Grausamkeit gehört, wie sie letztes Jahr in Gallien zu beobachten war, als ganze Städte, weil sie die wahre Lehre unseres Erlösers angenommen hatten, zusammen mit Männern und Frauen, Kindern und alten Männern mit Feuer und Flammen zerstört wurden? Satan erkennst Du an seinen Taten, also erkennst Du ihn auch hier.
Der türkische Tyrann droht mit der Zerstörung christlicher Kirchen und niemand greift zu den Waffen oder tut etwas, um dieses Übel abzuwenden? Diese großen Gefahren sind sicherlich ernsthaft und sollten alle Menschen bewegen, die von irgendeinem Humanitätsgedanken erfasst werden, um der schwankenden Republik, der schreienden Kirche und einer fast ungehörten Stimme, die nach Hilfe von ihren Schülern verlangt, jeder nach seinen Kräften und Berufungen Hilfe zu leisten.
Doch, und ich hoffe ich täusche mich, stehen die Dinge noch viel schlechter als es scheint. Vielleicht fehlt es nicht an gelehrten und guten Menschen, die eine klare Versöhnung der Kirchen in der religiösen Lehre wünschen und nicht nur versuchen für sich das Beste herauszuholen. Und sicher könnte Gott selbst alles abwenden, doch wenn ich die Willen der höchsten Fürsten, die Regierung der ganzen Welt und die große Zersplitterung der Kirchen überall ernsthaft bedenke und wenn ich in einer so großen Sache etwas menschlich beurteilen darf, dann denke ich, dass der öffentliche Zustand heute in höchster Verzweiflung ist und dass ein äußerster Zusammenbruch bald zu erwarten ist.
Der Kaiser scheint entschlossen die himmlische Lehre, die in den Kirchen Deutschlands erklingt, zu hassen und zu zerstören. Um seine Absicht zu verschleiern hat er nun die Konferenz in Regensburg einberufen. Am Ende wird sich aber zeigen was tatsächlich erreicht werden kann. Alphonsus Viruesius, Bischof von Canaria, der einst von den Inquisitoren in Spanien gefangen genommen wurde und später den Philipper schrieb, wurde wegen seines Namens ausgewählt. Jetzt tritt er bewaffnet an, um diese Meinung anzugreifen, die er selbst einst gegenüber dem gottlosen Thrasus geäußert hatte.
Auch Gropperus wird genannt, und mit ihm ein aus der Herde der Kolonien gemästetes Schwein; der vierte, Julius Pflug. Die Sprecher der deutschen (Protestanten) sind Philipp Melanchthon, Bucer, Brentius und Snapius, von denen zwei nun aus Regensburg stammen sollen. (Enzinas irrt sich bezüglich der Colloquenten am Regensburger Religionsgespräch von 1546 - Weder Viruesius, noch Gropper nehmen teil)
Ich denke, dass Herr Bucer immer noch in Straßburg ist. (Enzinas ahnt nicht, dass Bucer zusammen mit Diaz und weiteren schon in Regensburg angekommen ist.) Philipp wartet jeden Tag auf den Befehl des Fürsten.
Möge der Geist Gottes ihre Gedanken und Sprachen lenken, damit sie das fühlen und bekennen und wenn möglich, errichten können, was der wegen der menschlichen Turbulenzen ins Elend geratenen Kirche Christi nützt.
Wenn jemand diese Zerstörung nicht sieht, ist er blind, wenn er nicht betroffen ist, ist er grausam. Eine Trostquelle stützt mich jedoch, dass wir einen versöhnlichen und für uns kämpfenden ewigen Vater haben, der uns in der höchsten Verzweiflung aller Dinge, sogar in Todesgefahr, gegen die Macht aller Tyrannen siegreich macht und seine Kirche, wie er versprochen hat, bis zum Ende bewahrt.
Deshalb lassen wir uns nicht entmutigen, Bruder, und lassen uns nicht von unserem Kurs abbringen, wenn wir die Gefahren sehen. Ich bewundere deine Standhaftigkeit und Ernsthaftigkeit, mein Bruder, oder besser gesagt, ich bewundere Gott in dir, der dir diesen Geist gegeben hat, denn du hast nicht nur die Lehre über den Sohn Gottes angenommen und klar verstanden, sondern du bemühst dich auch, sie anderen zu verbreiten. Du dachtest nicht, dass es genug sei, den Willen Gottes aus den heiligen Büchern zu lernen, sondern du hast beschlossen, deine Meinung auch in klarem Licht der christlichen Kirche und sogar in schriftlicher Form zu verkünden.
Ich habe deine Briefe, die du an den Kaiser geschrieben hast, sehr gerne gelesen. Aus ihnen kann ich leicht erkennen, dass du eine aufrichtige und bemerkenswerte Größe des Geistes hast, die für einen christlichen Menschen angemessen ist. (Die Briefe an den Kaiser hat Diaz aus Strassburg an Enzinas geschickt, um seine Meinung einzuholen. Der Inhalt ist bislang jedoch nicht bekannt)
Du bittest mich, dass ich die spanische und lateinische Schrift lesen und dann mit unserer Einschätzung an dich zurücksenden soll. Ich habe beides getan und meine übliche Ehrlichkeit und unsere brüderliche Freiheit genutzt, die ich dir gerne in mir selbst und in allen meinen Angelegenheiten als echtem Bruder erlaube. (Offenbar bat Diaz Enzinas darum den in Latein und Spanisch verfassten Text vor Versand an den Kaiser zu redigieren).
Obwohl ich meine eigene Schwäche und mangelnde Übung in den Briefen spüre, die ich dir besonders zuschreibe, und ich anerkenne, dass ich von dir lernen muss, damit du in keiner Angelegenheit meinen Dienst vermissen kannst, habe ich dennoch einige wenige Dinge im lateinischen Text geändert, die zur Klarheit der Ausdrucksweise schienen.
Was die Veröffentlichung betrifft, denke ich, dass es aus vielen und wichtigen Gründen sowohl in deinem Namen als auch in meinem Namen eine klare und verständliche Bekenntnis zum christlichen Glauben geben sollte. Doch vielleicht ist es besser diese Sache zu einem anderen Zeitpunkt zu verschieben.
Wer die Geheimnisse Gottes verkünden will und die Lehre unter den Menschen verbreiten möchte, sollte sorgfältig bedenken zu welcher Zeit und unter welchen Umständen und wie er das tut um Christus mehr Seelen zu gewinnen. Diejenigen, die dich in Paris oder in anderen Regionen kennen, haben durch deine privaten Briefe und weil sie wissen, dass du im klaren Licht der Kirche Gottes lebst, eine sehr genaue Vorstellung von deiner Meinung. Einige von ihnen werden durch deine Tugend ermutigt, sich zu mäßigen.
Unsere ungestümen Charaktere müssen sollten zunächst beruhigt werden, denn wie du weißt, haben sie etwas Feuriges und Heftiges, das, wenn es durch etwas Vernunft und Mäßigung in Kenntnis von guten Dingen umgewandelt werden kann, es dir leicht machen wird, ganz Spanien zu verändern, auch wenn der Kaiser dagegen ist. Aber wenn etwas unüberlegt oder unbedacht getan wird, wirst du nicht nur den Zorn auf dich ziehen, nicht nur nicht bekämpfen, sondern auch alle Menschen herausfordern und die Herzen der Schwachen, besonders, die Verachtung und die Kritik an der himmlischen Lehre erhöhen.
Denn was wird anderes folgen, wenn in diesen aufgewühlten Verhältnissen etwas veröffentlicht wird, außer dass sie dich in Abwesenheit mit ihrem schwersten Schlag treffen werden, wie sie das immer tun? Du würdest schnell bemerken, dass der Nutzen Deiner Rede eher vernichtet wird, statt Gutes zu bewirken. Auch meinen Bruder hatte ich gewarnt bevor er dieses Buch in den Druck gegeben hat, denn ich ahnte schon was kommen wird. Er hatte weder so viel Weisheit oder Klugheit, um entweder die zukünftigen Übel selbst zu sehen oder auf meine Warnungen zu hören und sie zu vermeiden. (Er spricht wohl von seinem Bruder Diego, der 1547 tatsächlich wegen Ketzerei verbrannt wurde. Als Francisco diese Zeilen an Diaz verfasste, lebte Diego allerdings noch.)
Niemand außer mir, der selbst so viel Böses erlebt hat, weiß besser wieviel Schaden seine Unüberlegtheit für das ganze Land und darüber hinaus der Kirche selbst zugefügt hat.
Ich könnte hierzu noch viel sagen, doch ich vertraue darauf, dass Du, wenn Du Dich besinnst, selbst darauf kommen wirst. Was kann ich Dir über meine Studien sagen? Ich würde wahrscheinlich erfolgreicher mit meiner Meinung vorankommen, wenn nicht enorme Sorgen und intensive Gedanken über wichtige Angelegenheiten den ansonsten erfolgreichen Fortschritt auf eine oder andere Weise behindern würden.
Ich versuche die unglaubliche Eifersucht der einflussreichsten Menschen zu ertragen, die mich aus keinem anderen Grund verfolgen als aufgrund meiner Hingabe an das Studium der heiligen Schriften.
Du wirst es kaum glauben: Sogar meine eigenen Eltern haben gegen mich eine solche Feindschaft entwickelt, weil sie erfahren habe, dass ich mich in Deutschland aufhalte. Sie haben mir nach meiner Befreiung weder in Wort oder Schrift noch mit Geld geholfen. Lieber wollten sie mir zur Unterstützung meiner Studien Gift zukommen lassen. Ich weiß, dass es höchst unpopulär ist, wenn man versucht die ewige Wahrheit Gottes unversehrt und unberührt zu bewahren. Aber wer, frage ich, mit einem Funken Menschlichkeit in sich, wäre angesichts so vieler Gefahren und so großer Feindseligkeiten von so ungeheurer Grausamkeit nicht tief bewegt? Diejenigen, die die stoische άnáðav (Anmut des stillen Ertragens) loben oder irgendwie gutheißen können, zeigen, dass sie weder das bewundernswerte Werk Gottes in der menschlichen Natur kennen noch jemals wahre Gewissensängste oder innere Kämpfe des Geistes erlebt haben.
Ich persönlich konnte der Lehre der Stoiker, die mir vor allem aus den Vorstellungen von faulen Menschen aufgebaut zu sein scheint, niemals zustimmen. Besonders in dieser Zeit halte ich die gesamte Trägheit, die mit den offensichtlichen Werken Gottes und den ausdrücklichen göttlichen Zeugnissen in Konflikt steht, für höchst verurteilenswert. Ich bin manchmal so sehr von der Schwere des Bösen bewegt, dass ich denke, wenn das letzte Schicksal eintritt, wäre es für mich von Vorteil.
Ich benutze die Stimme dieser mutigsten und besten Frau: ὅστις γὰρ ἐν πολλοῖσιν, ὡς ἐγὼ, κακοῖς ζῇ, πῶς ὅδ᾽ οὐχὶ κατθανὼν κέρδος φέρει (Enzinas zitiert aus dem Drama "König Ödipus" von Sophokles: "Denn wer inmitten vieler Übel lebt, wie ich es tue, wie kann diese, wenn sie stirbt, dies nicht als Gewinn betrachten?")
Aber ich sehe, dass es im Vergleich zu ihrem Schicksal auch gute Dinge auf dieser Welt gibt. Je eifriger ein Mensch nach Tugend und Frömmigkeit strebt, desto mehr Hass schlägt ihm entgegen.
Und das ist der wahrste Satz des Dichters: εὐδαίμονες, οἷσι κακῶν ἄγευστος αἰών ("Glücklich sind diejenigen, die von Unglück unberührt bleiben". Zitat aus der Tragödie "Agamemnon" von Aischylos.)
"Denn wenn Gottes Haus erzittert, fehlt es nicht an Unglück, das über viele Generationen kriecht. Wie eine Woge, wenn sie von düsterem Wind gepeitscht wird und gegen das Ufer kracht, so rollt sie von unten die dunkle Flut und bricht an die Klippen im Sturm." (Wieder ein Zitat aus "Agamemnon": οἷς γὰρ ἂν σεισθῇ θεόθεν δόμος, ἄτας οὐδὲν ἐλλείπει, γενεᾶς ἐπὶ πλῆθος ἕρπον. ὁμοῖον ὥστε ποντίαις οἶδμα δυσπνόοις ὅταν θρῄσσῃσιν ἔρεβος ὕφαλον ἐπιδράμῃ πνοαῖς, κυλίνδει βυσσόθεν κελαινὰν θῖνα, καὶ δυσανέμῳ στόνῳ βρέμουσιν ἀντιπλῆγες ἀκταί )
Dazu kommt noch die Abwesenheit meines Bruders, für den ich noch weit ernstere Gefahren kommen sehe. Ich schrieb ihm Briefe, durch die ich versuchte ihn von jenem gottlosen Lebensstil in das Licht des Evangeliums zurückzuführen. Darauf antwortete er, von einer gewissen menschlichen Weisheit betört, er könne jenes Babylon noch nicht sicher verlassen. Die Sorge über diese Antwort beunruhigt mich mehr als ich es mir selbst gestehe. Ich werde alles versuchen ihn in unsere Gemeinschaft zurückzubringen. Philip Melanchton schrieb ihm freundlicherweise einen Brief und sagte ihm seine Meinung.
Auch Dich würde ich bitten, wenn ich nicht wüsste, dass Dir die Sache ohnehin am Herzen liegt und Du ihn bereits früher aus eigenem Antrieb geschrieben hast und es wohl auch in Zukunft tun wirst.
Doch so bitte ich nur, dass Sie Herrn Bucerus dazu bringen ihm zu schreiben er sollte dieses Babylonien verlassen und zur wahren Kirche Christi zurückfinden. Wer Bucer kennt, dessen hervorragenden Charakter, zusammen mit seiner Frömmigkeit, der weiß, dass er sich der Sache mit Freude annehmen wird. Ich schreibe ihm wegen dieser Angelegenheit. Lasse mich nur bitte gelegentlich wissen, was er in der Angelegenheit getan hat oder vielleicht tun will.
Grüße bitte alle Brüder von mir und besonders den Herrn aus Burgund (Enzinas meint vermutlich Jakob von Burgund, den Herrn von Falais und Breda, Urenkel des Herzogs Philipp d. Schönen von Burgund. Er war ein eifriger Anhänger der Reformation).
Zusammen mit diesem Brief schicke ich Dir Briefe an den Prediger, von dem wir erfahren haben, dass er aufgrund von Briefen von Herrn Bucer an den Hof des Pfalzgrafen gerufen wurde. Du sollst sie ihm treu überbringen. (Gemeint ist wahrscheinlich Petrus Alexander, früher Hofprediger der Statthalterin der Niederlande, der Königin Marie von Ungarn. Von der Inquisition verfolgt, war er glücklich nach Deutschland entkommen. Er wurde 1546 Professor in Heidelberg, 1548 Kanonikus zu Canterbury, 1555 Prediger zu Straßburg und 1560 Prediger der französischen Gemeinde zu London (vgl. Campan, Les mémoires de Francisco de Enzinas II, S. 390 ff.)
Ich werde unserem gemeinsamen Freund Claudius (Claude de Senarclens) schreiben, sobald es die Zeit erlaubt.
Bei allererster Gelegenheit! (Das verdoppelte Versprechen würde man 2023 wohl mit einem Zwinkersmiley versehen.)
In der Zwischenzeit wirst Du mir den Freundschaftsdienst erweisen ihn in meinem Namen zu grüßen. Ich warte auf seine gelehrte Nachricht.
Wir grüßen ihn alle! (Gemeint ist wohl ... aus dem Haushalt Luthers in Wittenberg)
Lebe wohl, lieber Bruder!
Geschrieben in Wittenberg
am 21. Dezember 1545
Dein Bruder Franciscus Enzinas
Der Brief Franzisco de Enzinas erreichte Juan Diaz tatsächlich noch in Regensburg. Belegt ist dies durch einen Eintrag im Tagebuch des Grafen Wolrad II zu Waldeck, einem als Beobachter entsandten Berichterstatters für die Seite der Protestanten. Am 15. Februar übergibt Diaz ihm diesen und einen weiteren Brief wegen Anmerkungen zu Entscheidungen des Kaisers. Nur wenige Tage nachdem Francisco diesen Brief an Juan Diaz geschrieben hatte, am 25. Dezember des Jahres 1545, schrieb Diego de Enzinas einen Brief an Martin Luther mit der Bitte um Klärung religiöser Fragen, über die heute kaum jemand sich seine Stirn runzeln würde, egal ob beim Besuch einer katholischen oder evangelischen Gottesdienstes. Doch macht er darin in seiner Verehrung für Luther zu weit zu gehen, denn er nennt ihn in dem Brief in einem Nebensatz, der als eine Entschuldigung für die Bitte um Klärung gedacht ist die Luther als Kritik auffassen könnte „einen Engel des Herrn“, „te enim ut angelum Dei suspicimus“. Dieser Brief wurde von der Inquisition unmittelbar abgefangen und wurde ihm zum Verhängnis. Er wurde festgenommen, gefoltert und nach Preisgabe anderer Mitglieder seines Glaubenszirkels, dem er sich in Rom angeschlossen hatte, lebendig verbrannt.
Diego de Enzinas war noch enger mit Juan Diaz befreundet, als der mit Francisco. Diego war es, der Juan in die Auffassung der Reformer eingeführt, ihn bekehrt hatte. Der genaue Todestag des Diego ist nicht bekannt, doch der Literatur entnehme ich, dass Hernando Diaz (nicht verwandt mit Juan), der persönliche Assistent von Juan und der das Testament Juan Diaz vollstrecken sollte, die dem Diego zugedachten Teile dessen Bibliothek nicht mehr zugehen lassen konnte. Das muss im Sommer oder Herbst des Jahres 1546 gewesen sein. Nach allgemein verfügbaren Quellen starb Diego im Frühjahr 1547. Dies scheint spät, angesichts der Verhaftung wohl noch im Dezember 1545 oder Januar 1546. Hier ist insofern noch Arbeit zu tun.
Brief Diego de Enzinas an Luther, 25. Dezember 1545
Verehrter Vater in Christus, Herr Martin Luther. Die wenigen Gläubigen in Rom wünschen Ihnen Gnade und Frieden von Gott durch Jesus Christus, unseren Retter.
Da wir nicht daran zweifeln, dass Sie mit der Gabe der christlichen Nächstenliebe ausgestattet sind, von der wir uns selbst weitaus größere Versprechen schulden, schreiben wir Ihnen, auch wenn wir uns nicht bekannt sind, im Vertrauen darauf, dass sie uns als ihre besonderen Söhne in Christus annehmen.
Und in diesem Vertrauen und im Namen des Herrn Jesus Christus bitten wir uns folgende Frage zu erläutern, eingedenk der Rolle, die sie in der Kirche Gottes spielen
Denn als uns die Dinge erreichten, die Sie dieses Jahr gegen die Artikel von Löwen anmerkten, blieben wir an zwei Stellen hängen, nämlich an Ihrem Artikel, wo Sie das Sakrament der Eucharistie als anbetungswürdig bezeichneten, und an Artikel 27, wo Sie sagen, dass der Leib und das Blut Christi werden mit dem fleischlichen Mund in der ehrwürdigen Eucharistie aufgenommen.
Deshalb bitten wir Sie, aus christlichem Gefühl heraus, uns kurz etwas über das Wort „anbetungswürdig“ zu sagen, was es von uns verlangt und wie Sie den Leib und das Blut Christi verstehen, die in den fleischlichen Mund genommen werden.
Denn in Ihren Schriften, die wir bisher erhalten haben, haben wir noch nicht die Interpretation dieser Worte erfahren, auf die wir uns verlassen können.
Aber was auch immer uns zu Hilfe kam und uns die Interpretation Ihrer Worte zu bringen schien, hat uns noch nicht völlig befriedigt, und wir hielten es für falsch, nicht zu wissen, was man unter diesem göttlichen Sakrament verstehen kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir in Bezug auf dieses ehrwürdige Sakrament glauben, dass der Leib und das Blut des Herrn N. Jesus Christus in der Eucharistie wirklich und wahrhaftig präsentiert werden, und wir lassen keine Darstellung zu, die die Frucht dieses Sakraments schmälern oder bringen würde alles, was in Verbindung mit der Vernunft steht.
Wir glauben an das göttliche Wort.
Dieser Schatz soll uns im heiligen Abendmahl zur Vergebung der Sünden präsentiert werden, gemäß dem Bund, mit dem er den Aposteln von Christus selbst geschenkt wurde.
Wir glauben, dass der Herr Jesus bei seinem Abendmahl anwesend ist, obwohl wir ihn nicht mit unseren körperlichen Augen ansehen, und dass er uns anspricht und uns tatsächlich seinen Körper und sein Blut gibt und sie uns durch den Glauben für unsere Erlösung und Auferstehung anwendet.
Wir beten Jesus mit unserem Herzen an.
Bezüglich der Anbetung und dem, was im Sakrament dargebracht werden soll, fragen wir uns immer noch, ob sie etwas Äußeres erfordert und in welchem Umfang und in welchem Ritus Ihre Kirche dies zum Ausdruck bringt: Was glauben Sie persönlich, was die Apostel getan haben, als sie den Leib des Herrn nahmen in der Nacht, in der Christus befreit wurde, oder nachdem er zur Rechten des Vaters aufgefahren war?
Wir fragen außerdem, ob es richtig oder nur wahrscheinlich ist oder ob es wirklich falsch ist.
Es sei gesagt, dass denjenigen, die überhaupt keinen Glauben haben und kommen, um am Sakrament teilzunehmen, tatsächlich der Leib Christi präsentiert wird; um sich selbst abzulehnen.
Es war mir eine Freude, diese Dinge kurz zu erklären, damit Sie verstehen, was wir brauchten, und flehe den Herrn an, dass Sie, wenn Sie frei sind, möchten, dass der von Ihnen diktierte Brief unseren Wunsch nach dem Wort Gottes so weit wie möglich erfüllt.
Sie glauben auch nicht, dass diese Dinge aus dem Wunsch heraus entstehen, anderer Meinung zu sein; denn wir betrachten dich als einen Engel Gottes.
Und um diese Demut des Geistes zu lehren, die ihr ebenbürtig ist, lasst uns in dem Maße, wie sie es tut, nach der Erlösung der Seelen streben und zu Gott beten, dass er dies durch seinen Geist und durch die Organe tut, die er als die meisten erwählt hat.
Wichtig ist, dass er uns die Wahrheit über alles offenbaren kann, von dem er weiß, dass es für unsere Reinigung und Heiligung notwendig ist, durch Christus Jesus zu seiner ewigen Ehre.
Amen.
Lebe wohl, und möge Christus dich beschützen!
Quelle: https://dbe.rah.es/biografias/64865/diego-de-enzinas