Während der Tag des Mordes eindeutig angegeben ist - der 27. März 1546, ein Samstag, ist der Zeitpunkt des Mordes in der Historia vera nur indirekt angegeben. Im folgenden soll untersucht werden ob die Angaben aus der Historia vera zu den Umständen der Tat plausibel sind. Darüber hinaus ist zu klären ob und welche Rückschlüsse aus diesen Umständen gezogen werden können im Hinblick auf Tatabsicht und Planung der Tat:
Original: "Johannes accepit literas, et quoniam nondum diluxerat, accessit ad fenestram, ut eo lumine paulatim indaretis diei facilius legeret, quod in literis continebatur." ... "Tandem cum intentus esset lectioni literarum Ioannes Diazius, carnifex qui in tergo stabat, exeruit securim, quam hac usque sub pallio tegebat, eamque in dextrum latus capitis circa tempora viri sancti, totam usque ad manubrium infixit."
Deutsch: "Johannes nahm den Brief entgegen und weil es noch nicht hell geworden war, schritt er zum Fenster, auf dass er unter diesem Licht des sich allmählich aufklarenden Tages leichter lese, was im Brief enthalten war." ... "Da letztlich Johannes Diazius vertieft in die Lesung des Briefes beschäftigt war, nahm der Henker, der hinter seinem Rücken stand, das Beil heraus, das er bis dahin unter dem Mantel bedeckt verborgen hatte, und schlug es in die rechte Seite des Kopfes nahe bei der Schläfe des heiligen Mannes ganz bis auf den Griff hinein."
Das Licht der Morgendämmerung:
Der Mord wurde in einem relativ engen Zeitfenster der Morgendämmerung begangen: Es musste gerade hell genug sein um sich sicher im Raum bewegen zu können ohne eine Kerze vor sich zu tragen, aber eben noch nicht hell genug um einen Brief lesen zu können ohne sich an ein Fenster zu stellen. Ansonsten hätte sich Juan nicht vom Täter abgewandt und um Hilfe schreien können als der Täter das mitgebrachte Beil unter dem Mantel hervorzug. Ob Juan den Brief dort tatsächlich lesen hätte können ist dabei unerheblich, denn als Voraussetzung für die Tat ist lediglich notwendig, dass der Ermordete dem Täter den Rücken zuwandte. Dieser Zeitpunkt lässt sich eingrenzen auf eine Zeit mit Beginn der Dämmerung um 5:10 Uhr bis zum Sonnenaufgang um 5:42 Uhr. Berücksichtigt man die Überlieferungen zur Tat, die sich aus der Historia vera und den Hörmann'schen Briefen und einem selbst vorgenommenen Versuch ergibt, so schätze ich die Tatzeit auf etwa 5:15-5:35 Uhr. Spätestens dann sollte die Flucht der Täter begoonen haben. Der nächst genannte Zeitpunkt ist 8 Uhr morgens. Hier sollen die Täter in Pöttmes mit verschwitzten Pferden aufgetaucht sein und haben wohl ohne große Verzögerung, unmittelbar nach dem Aufzäumen ihrer Augsburger Pferde, ihre Flucht nach Augsburg fortgesetzt.
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Bewertung der Historia Vera im Hinblick auf Tatabsicht und Planung der Tat.
Claude de Senarclens beschreibt den Mord als hätte er ihn selbst beobachtet. Das war aber tatsächlich nicht der Fall und so muss die Beschreibung in der Historia vera selbst als eine zeitgenössische Schlussfolgerung, die sich aus den Umständen der Tat und den später hinzugekommenen Zeugenaussagen ergab, gesehen werden. Ich versuche mich in die Person des Claude zu versetzen. Er hat die Nacht zusammen mit Juan nicht nur in dessen Zimmer, sondern in dessen Bett verbracht. Er begründet seinen Aufenthalt mit der Sorge um die Sicherheit des Juan, aber hier stelle ich mir die Frage warum er Juan, angesichts der ungewöhnlichen Umstände im Vorfeld der Tat Juan den unerwarteten Gast alleine empfangen ließ. Dabei ist zu bedenken, dass Claude als Gefahr auch eine möglichen Sinneswandel des Juan gesehen haben könnte, der diesen nach Abreise Bucers, Frechts und seiner selbst etwa zu dem Entschluss hätte bringen können seinem Bruder doch noch nach Italien zu folgen. Aus dem verhältnismäßig langen Aufenthalt des Alphonso könnte man den Schluss ziehen, dass eine unmittelbare Tötungsabsicht wenigstens während des ersten Aufenthalts in Neuburg nicht gegeben war, sondern vielmehr im Vordergrund stand, Juan durch Überredung zu bewegen zum wahren (katholischen) Glauben zurückzukehren. Dies hatte möglicherweise auch Claude de Senarclens im Sinn und so erklärt sich auch die Übernachtung im gleichen Bett und das er Juan nicht folgte um ihn vor dem Boten zu schützen.